Wolfgang Tomášek |
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Evolution,
Planung, Fortschritt |
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Öko-Text |
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Stand 1.9.2001 (´Homo oeconomicus´ VI, 1989, S. 11-27) |
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"Uninhibited by laws natural or divine, we busied ourselves with
the building of Paradise" |
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Robert Ardrey, 1970 |
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>Konkurrenz- und >Ökonomieprinzip,
die für die >Evolution von Lebewesen eine
Rolle spielen, lassen sich mit dem >Entropiesatz
verknüpfen und deshalb auf die Entwicklung energieumsetzender (>dissipativer)
>Systeme
verallgemeinern, damit auch für planende Systeme und ihre >Planungsmodelle.
Wenn ">Fortschritt" als Entfernung
eines dissipativen Systems vom >Existenzrand
gedeutet wird, dann ist er in einer >Ökosphäre,
die ausschließlich Systeme enthält, die an einer Evolution im gleichen >Energiestrom
teilnehmen, nur als zufällige, kurzzeitige Ausnahme möglich, es sei denn, es
werden grundlegende physikalische Annahmen, insbesondere der Entropiesatz in
Frage gestellt. Planung kann demnach notwendig für das Überleben sein,
bringt jedoch längerfristig nicht viel mehr als dieses. |
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Ein energieumsetzendes, "dissipatives" System
... |
Als ein >"dissipatives
System" soll hier ein offenes >dynamisches
System verstanden werden, eine Gesamtheit von Elementen mit einer
Gesamtheit von Beziehungen, die Veränderungen in der Zeit und Umsatz
von Energie zeigen. Ein Gesteinsbrocken zum Beispiel, der kräftefrei und
gleichförmig im Weltraum seine Bahn zieht, ist kein dissipatives System in
diesem Sinn, ebensowenig ein ausgewachsener Kristall ohne Veränderung. Weil
Energie in den Grenzen gewöhnlicher Erfahrung nicht aus nichts entsteht und
sich nicht in nichts auflöst, hat ein dissipatives System, das als solches
längere Zeit besteht, Beziehungen zu seiner >Umwelt,
aus der es seine Energie bezieht und in die es sie wieder entläßt (zum
Begriff des dissipativen Systems vgl. z.B. Eigen/Winkler 1975, S. 114 ff.). |
... ohne ... |
Manche dissipative Systeme
haben nur kurzen Bestand; sie finden kein >Gleichgewicht,
in dem sie selbst länger bestehen könnten. Eine Lawine, eine explodierende
Bombe, ein brennendes Haus sind Beispiele für solche Systeme. Was im
Gleichgewicht davon übrigbleibt, sind nicht mehr die ursprünglichen Systeme.
Vor allem Systeme, deren Verhalten nur verstärkend (positiv), nicht aber
auch hemmend (negativ) über die Umwelt auf sich selbst zurückwirkt, zählen
zu diesem kurzlebigen Typ; sie zerstören sich praktisch selbst. |
... oder mit längerfristigem Gleichgewicht ... |
Andere dissipative Systeme
haben auch mit Umsatz von Energie längeren Bestand; sie erhalten sich längere
Zeit in einem >dynamischen Gleichgewicht - mit mindestens einer
negativen >Rückkopplung von ihrer
Umwelt her, einem >Regelkreis. Beispiele
hierfür sind eine schwingende Violinsaite, eine Kerzenflamme, ein
Wasserfall, eine laufende Maschine, ein Bakterium, eine Pflanze, ein Tier,
ein Mensch, ein Unternehmen, ein Staat, aber auch ein Fluß, ein Wald, eine
Landschaft, die ganze Erdhülle. |
... in Konkurrenz oder Symbiose mit anderen dissipativen
Systemen |
Neben dem Energieumsatz
können dissipative Systeme auch einen Umsatz von Stoffen zeigen; er
kann mit dem Energieumsatz gekoppelt sein, etwa bei der Nahrungsaufnahme
der Tiere oder dem Wasserumsatz eines Wasserfalls. Dissipative Systeme
können miteinander in Wechselbeziehung treten und sich gegenseitig in
ihrem Verhalten und ihrem Aufbau beeinflussen. Sie können sich zerstören,
wie das Raubtier seine Beute, aber auch gegenseitig in Form einer >Symbiose
in ihrem Bestand fördern und erhalten, wie etwa Menschen und Nutzpflanzen.
Wenn verschiedene dissipative Systeme sich aus der gleichen Energiequelle
speisen, dann können sie miteinander in Konkurrenz treten: Die Energie,
die das eine dissipative System verbraucht, kann nicht gleichzeitig von
einem anderen dissipativen System verbraucht werden. Beispiele sind die
Flüsse mit ihren Tälern in der Konkurrenz um die Niederschlagsgebiete und
damit um die Energiequelle des fallenden und fließenden Wassers, die Bäume
im Wald in der Konkurrenz um das Licht oder die Unternehmen in der Konkurrenz
um die Märkte, damit ums Geld und indirekt um die Energie. Bei dissipativen
Systemen mit Stoffumsatz kann auch die Konkurrenz um die Stoffe dazukommen,
zum Beispiel bei Tieren die Konkurrenz um die Nahrung oder bei Staaten um
die Rohstoffe. |
Längerfristiges Überleben und Entwicklung ... |
Dissipative Systeme können
sich selbst fördern (verstärken), das heißt durch ihr Verhalten die Wahrscheinlichkeit
für ihren eigenen Bestand in der Zukunft vergrößern, sei es durch Festigung
der eigenen Existenz und Abwehr von Störungen aus der Umwelt, sei es
durch Wachstum, sei es durch Symbiosen mit anderen dissipativen
Systemen. Sie können aber auch durch ihr Verhalten dazu beitragen, daß in
Zukunft gleichartige Systeme existieren wie sie selbst: Vermehrung, >Reproduktion. Alle Lebewesen, aber auch
etwa die Flammen in einem Waldbrand sind dafür Beispiele. Durch Unterschiede
im Umsatz von Energie innerhalb eines einzigen dissipativen Systems
entstehen konservativere Teilstrukturen, damit die Möglichkeit, einmalige
Entscheidungen als bleibende Veränderungen über längere Zeit festzuhalten,
also >Information zu sammeln. |
... mit Mutation und Selektion |
Es kann auch sein, daß in
einer veränderlichen Umwelt die Chancen für ein vermehrungsfähiges dissipatives
System, das kleine stabile Veränderungen (">Mutationen")
gegenüber seinem Vorgänger zeigt, größer sind als die Chancen eines genauen
Ebenbildes dieses Vorgängers. Die dissipativen Systeme mit dieser Mutation
werden deshalb in Zukunft eher in dieser Umwelt angetroffen werden als die
anderen, die in die Gefahr kommen, zu verschwinden (">Auslese"
oder ">Selektion"). Im umgekehrten
Fall können die Veränderungen weniger Chancen haben als das unveränderte
System und werden deshalb der Selektion zum Opfer fallen. |
Ökologische Begriffe und Vorstellungen anwendbar |
Manche dissipativen Systeme
bekämpfen aktiv ihre Konkurrenten, das heißt, sie vermindern die Existenz-,
Wachstums- oder Vermehrungschancen anderer Systeme, die sich aus der gleichen
Energiequelle speisen. Manche verteidigen sich gegen sie (Beispiele:
Wolfsrudel, Staaten). Manche Systeme beziehen ihre Energie unmittelbar von
einer strahlenden Energiequelle, so die Pflanzen von der Sonne, andere von
anderen dissipativen Systemen, so die Tiere oder die Pilze. Allgemein werden
in einer Vielzahl von dissipativen Systemen, die in gegenseitiger
Beeinflussung ihre Energie aus der gleichen Energiequelle beziehen, im Lauf
der Zeit diejenigen übrigbleiben, die sich selbst in ihrer jeweiligen Umwelt
- die auch die anderen dissipativen Systeme enthält - am besten erhalten
oder reproduzieren können. Die anderen werden allmählich verdrängt werden;
für sie wird schließlich keine Energie mehr übrigbleiben. Die Gesamtheit
aller dissipativen Systeme, die sich aus einer einzigen Energiequelle
speisen, einschließlich der Umwelt, aus der sie ihre Stoffe beziehen, soll "Ökosphäre"
genannt werden; ein räumlicher Ausschnitt daraus ">Ökosystem".
Die langfristige Entwicklung eines einzelnen dissipativen Systems, eines
Ökosystems oder einer Ökosphäre soll Evolution genannt werden (zu den
hier nur skizzierten Begriffen und Zusammenhängen der Evolutionstheorie vgl.
im einzelnen z.B. Wesley 1974, Eigen/Winkler 1975, Riedl 1975,
Hass/Lange-Prollius 1978, Krueger 1984, Atkins 1986). |
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Abstrakte Abbildung: Ökologische Vorgänge als Bewegung von Punkten im Möglichkeitenraum |
Man kann sich nun die
verschiedenen Zustände und Eigenschaften eines dissipativen Systems auf ein >abstraktes
>Modell
abgebildet denken. So kann man den irgendwie meß- und zählbaren Zuständen und
Eigenschaften eines solchen Systems (zum Beispiel Masse, Volumen, Form,
chemische Zusammensetzung, Aufbau, Energiegehalt, Impuls, Geschwindigkeit)
ihre Meßzahlen (">Parameter")
zuordnen. Diese Zahlen kann man als Koordinatenmaße in einem mehrdimensionalen
Raum deuten, der durch die Gesamtheit dieser Koordinaten aufgespannt wird -
einen Zustands-, Eigenschafts- oder >Möglichkeitenraum.
Solche abstrakten, "platonischen" Räume haben sich in
verschiedenen Zusammenhängen als nützlich gezeigt (im Rahmen der >Ökologie
vgl. hierzu etwa Whittaker 1970, S. 23, Morowitz 1974, S. 14). Jedes dissipative System zu
einem bestimmten Zeitpunkt ist durch einen Punkt in diesem Möglichkeitenraum
repräsentiert; jede Veränderung eines Parameters läßt sich als Bewegung des
Systempunktes auf einer einzigen Koordinate darstellen; die Gesamtheit der
Veränderungen aller Parameter eines dissipativen Systems als Bewegung des
Systempunktes im mehrdimensionalen Möglichkeitenraum. Ähnlich wie ein
einzelnes dissipatives System seinen Punkt in diesem Raum zugeordnet erhält,
so kann einer Vielzahl von dissipativen Systemen, etwa einem Ökosystem oder
einer Ökosphäre, eine "Wolke" entsprechender Punkte zugeordnet
werden, die sich bewegen. Die Evolution eines Ökosystems oder einer Ökosphäre
bildet sich in einer langfristigen Bewegung dieser Punktwolke ab, bei der
man von kurzfristigen Schwankungen oder Schwingungen absieht. Wenn man ein
Ökosystem oder eine Ökosphäre selbst als ein einziges dissipatives System
auffaßt, dann wird seine Evolution wie bei allen anderen dissipativen
Systemen durch die Bewegung eines einzigen Punktes in seinem entsprechend
höherdimensionalen Möglichkeitenraum repräsentiert. Der Vermehrung von
dissipativen Systemen, wie sie zum Beispiel die Lebewesen zeigen,
entspricht eine Vermehrung von Punkten, ebenso der Herstellung von
dissipativen Systemen durch andere dissipative Systeme, etwa dem Maschinenbau
durch Menschen. |
Dadurch Anwendung thermodynamischer Gesichtspunkte möglich ... |
Die Zahl der nach einem
Änderungsschritt erreichbaren Möglichkeiten für einen Systempunkt ist eine
andere als im vorhergehenden Zustand; wenn man nicht annimmt, daß alle
Bewegungen im Möglichkeitenraum bis ins letzte und einzelne geordnet und
voraussagbar sind, sondern wenn man auch zufällige, nicht im einzelnen
voraussagbare Bewegungen der Punkte im Möglichkeitenraum annimmt - wie es
der allgemeinen Erfahrung entspricht - dann stellen sich die Punkte im
Möglichkeitenraum, die etwa die dissipativen Systeme eines Ökosystems repräsentieren,
wie die Teilchen eines abstrakten Gases mit speziellen Eigenschaften
dar. Dessen Verhalten läßt sich dann mit den Begriffen einer verallgemeinerten
>Thermodynamik
beschreiben. Für bestimmte Zwecke könnte man sicher bei der Zahl der Dimensionen
eines solchen Möglichkeitenraums Einsparungen machen; man könnte zum Beispiel
nur die selbstverstärkenden Eigenschaften der dissipativen Systeme auswählen
und so eine Art "Maschenraum" konstruieren, der nur aus den positiven
Rückkopplungsmaschen besteht. Für die allgemeinen Überlegungen in diesem
Rahmen genügt jedoch schon ein grober Entwurf eines allgemeinen
Möglichkeitenraums. |
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... Drift,
Diffusion, ... |
Durch zufällig gleichgerichtete
Bewegung eines Systempunktes ergibt sich eine langsame >Drift
im Möglichkeitenraum, die sich bei vielen Systempunkten zu einer >Diffusion
überlagert. Es ist anzunehmen, daß solches Driften und Diffundieren nicht
immer völlig unbedeutsam ist für die gegenseitigen Beziehungen der entsprechenden
dissipativen Systeme. Kleine Abweichungen können bestimmte Funktionen
der beteiligten Systeme verstärken und damit ihre Erhaltungs- und
Reproduktionswahrscheinlichkeiten verändern. Wenn ein dissipatives System
durch eine bestimmte Änderung vergrößerte Erhaltungs- bzw. Reproduktionswahrscheinlichkeit
erhält, dann kann das gleichzeitig vergrößerte Erhaltungswahrscheinlichkeit
für die Änderung selbst bedeuten, das heißt, die Drift verstärkt sich
selbst. Jeder Keim zu einer >Selbstverstärkung bringt
das Gefüge der beteiligten Systeme aus dem Gleichgewicht; es verändert sich
so lange, bis die Selbstverstärkung an ihre Grenzen stößt und entweder sich
selbst zerstört oder mit einer stabilisierenden negativen Rückkopplung, einem
Regelkreis, ein neues dynamisches Gleichgewicht bildet. Dieses
Gleichgewicht ist geordneter als der Zustand der Wolke vor der selbstverstärkten
Bewegung, denn einer großen Zahl von Zuständen eines Systems bzw. einer
Mehrzahl von Systemen vorher läßt sich der gleiche Zustand nachher zuordnen.
Eine Selbstverstärkung frißt sozusagen Möglichkeiten weg, die ohne sie nach
wie vor offenstünden; die Ungewißheit der Zukunft wird durch Selbstverstärkungen
vermindert. |
... Ordnungsaufbau. |
Jede Ökosphäre, jedes
Ökosystem, jedes dissipative System, das überhaupt die Möglichkeit zu
selbstverstärkter Bewegung enthält, entwickelt sich also in die Richtung
zu größerer >Ordnung. Eine Rückbewegung zu dem vorherigen,
weniger geordneten Zustand ist unwahrscheinlich, ähnlich wie es
unwahrscheinlich ist, daß ein Fisch durch eine Reuse wieder zurückschwimmt
oder ein Unternehmen nach seinem Bankrott wieder in der alten Form entsteht.
Daß die Steigerung der Ordnung eines dissipativen Systems durch Senkung der
Ordnung in der Umwelt erkauft wird, steht auf einem anderen Blatt (ausführlichere
Darstellungen über die Zusammenhänge zwischen Wahrscheinlichkeit,
Zufall, >Entropie, Ordnung, Information, Voraussagbarkeit
finden sich zum Beispiel bei Eigen/Winkler 1975, Riedl 1975, Krueger 1984,
Atkins 1986). |
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Modelle als dissipative Systeme, ... |
Die bisherigen Überlegungen
sollen nun auf spezielle dissipative Systeme angewendet werden, die bei Planung
und bei der Diskussion um Fortschritt eine Rolle spielen: Modelle. Was ist ein Modell? - Hier
soll darunter ein Gegenstand verstanden werden, der einen anderen Gegenstand
abbildet. Wenn der abgebildete Gegenstand als ein "System", also
als eine Gesamtheit von Elementen mit einer Gesamtheit von Beziehungen
zwischen diesen Elementen betrachtet werden kann, dann im allgemeinen auch
das Modell. Ein Modell ist dann ein System, das Eigenschaften oder
Beziehungen mit einem anderen System teilt, dessen Modell es ist. Umgekehrt
kann jedes Urbild wiederum als Modell seines Modells betrachtet werden. Es
gibt dann Aussagen, die auf beide Systeme zutreffen. |
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... an
denen Verhalten erprobt werden kann, helfen Energie sparen, ... |
Ein dissipatives System kann
nun mit einem anderen System gekoppelt sein, das Eigenschaften mit der
Umwelt des dissipativen Systems teilt, das also diese Umwelt in Teilbereichen
"abbildet". Statt der Umwelt kann es auch das dissipative System
selbst sein, das in Teilbereichen abgebildet wird. Wenn nun das dissipative
System derartige Modelle beeinflussen kann und von den beeinflußten Modellen
wiederum Einflüsse erfährt, dann kann es damit sein Verhalten gegenüber der
Umwelt oder gegenüber sich selbst vorher an den Modellen "ausprobieren".
Verhaltensmöglichkeiten, die nach den Erfahrungen mit den Modellen seine
Existenz gefährden, wird es vermeiden können; solche, die nach den Modellerfahrungen
sein Bestehen und seine Reproduktion fördern, wird es bevorzugen und dadurch
Risiken vermindern können. Wenn das Ausprobieren von Verhalten gegenüber
dem Umweltmodell weniger Energie erfordert als das Ausprobieren in der
ursprünglichen Umwelt, um zu Verhaltensweisen zu finden, die das Überleben
bzw. die Reproduktion fördern, wird das System mit seinen Modellen Energie
einsparen können. Ein dissipatives System, das fähig ist, Modelle zu nutzen,
wird im allgemeinen größere Existenz- und Reproduktionschancen besitzen gegenüber
einem sonst gleichen System, das dazu nicht fähig ist. Die allgemeine Tendenz
in einer Ökosphäre mit verschiedenen, sich gegenseitig beeinflussenden und
insgesamt einer Evolution unterworfenen dissipativen Systemen wird also in
die Richtung auf ein Maximum an Modellbildung und Modellvernetzung zielen.
Dies entspricht der allgemeinen Tendenz eines Ökosystems oder einer Ökosphäre
in die Richtung zu größerer Vorhersagbarkeit und Ordnung. |
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Modelle, die von einem
dissipativen System benutzt werden, um dynamische Eigenschaften seiner Umwelt
oder seiner Innenwelt abzubilden, können selber, zumindest über einen
genügend langen Zeitraum hinweg, als dissipative Systeme betrachtet werden,
die zu ihrem Aufbau und ihrer längerfristigen Erhaltung Energie benötigen.
Wenn die Beziehung zu einem Modell ein dissipatives System fördert, dann
fördert dieses sich selbst durch eine Förderung von Existenz oder Reproduktion
dieses Modells. Dissipative Systeme, die ihre Modelle fördern, werden in der
Konkurrenz zu sonst gleichen anderen dissipativen Systemen, die das nicht
tun, Überlebensvorteile haben und sich allmählich durchsetzen. Die Tendenz
der Beziehung zwischen dissipativen Systemen und ihren Modellen wird sich
also im allgemeinen in die Richtung auf eine Symbiose, eine gegenseitige Förderung
entwickeln. |
... wenn sie nicht selbst zu viel Energie beanspruchen. |
Hierbei werden die Vorteile
der Energie-Einsparung Modelle bevorzugen, die weniger Energieumsatz erfordern,
um die gleiche Abbildungsleistung zu erbringen. Da ein Stoffumsatz immer
auch Energieumsatz erfordert, gilt das gleiche auch für den Umsatz von Stoffen.
Die allgemeine Tendenz wird deshalb in die Richtung auf kleinere, feinere,
sparsamere Modelle laufen, nicht umgekehrt (Ökonomieprinzip). Der Wert von
Modellen wird sich im allgemeinen an der Energie-Einsparung messen lassen,
die sie den modellnutzenden Systemen bei ihrer Umweltbewältigung, ihrer
Existenzerhaltung oder Vermehrung in ihrer Umwelt bieten (vgl. zur Bedeutung
von Energie und Energie-Ökonomie z.B. Hass/Lange-Prollius 1978). |
Planung als Bauen von Sollmodellen ... |
Planung ist vor diesem Hintergrund
eine spezielle Art von Modellbildung und Modellverwendung. Pläne
sind Modelle von angestrebten Zuständen der Planungsgegenstände. Die
Planer und ihre Auftraggeber sind die modellnutzenden dissipativen
Systeme. Alle bei Planungen vorkommenden Systeme, also auch die Planungsmittel,
Werkzeuge und Geräte, sind, langfristig betrachtet, dissipative Systeme,
die zu ihrem Bau und ihrer Erhaltung auf Energieumsatz angewiesen sind und
in den oben allgemein skizzierten Zusammenhängen stehen: Konkurrenzsituation
im Energiestrom; Mutation und Selektion, Evolution als langfristige
Diffusion im Möglichkeitenraum. Wenn erst einmal die Modellnutzung der Planung
in einer Ökosphäre entstanden ist, wenn die Möglichkeiten der
Energie-Einsparung durch Planung bereitliegen, dann werden sich konkurrierende
dissipative Systeme nicht ohne weiteres erlauben können, darauf zu verzichten
und damit längerfristig ihre eigene Existenz in Frage zu stellen. |
... gesehen vom Blickpunkt der evolutionären
Planungstheorie |
Was oben für ein dissipatives
System allgemein dargestellt wurde, das gilt auch für Modelle, zumindest
für die Zeit, in der sie als dissipative Systeme betrachtet werden können:
die Abbildungsmöglichkeit im abstrakten Möglichkeitenraum; eine
unvorhersagbare, zufällige und eine vorhersagbare, nichtzufällige Komponente
der Bewegung der sie repräsentierenden Punkte in diesem Raum. Wenn auch bei
den geplanten und konstruierten Modellen der Anteil der zufälligen
Komponente im allgemeinen als geringer angenommen werden kann - daß er
völlig verschwindet, würde eine sehr weitgehendene Annahme voraussetzen,
nämlich daß solche Modelle prinzipiell einen völlig anderen Typ von dissipativen
Systemen darstellen als die übrigen dissipativen Systeme. Es wäre verwunderlich,
wie Systeme, die in ihrem Verhalten völlig voraussagbar und demnach starr
sind, längerfristig in einer Umwelt überleben oder sich reproduzieren
können sollten, die eine zufällige, nichtvoraussagbare Komponente enthält.
Als den allgemeinen Fall kann man also bei den Modellen wie auch bei allen
anderen dissipativen Systemen eine - wenn auch manchmal sehr kleine -
Zufallskomponente in ihrem Verhalten annehmen. Dies entspricht dem Konzept
der "evolutionären Planungstheorie" (vgl. z.B. Vollmer 1975) und
widerspricht dem verbreiteten Konzept der "rationalen Planung", das
gerade von dieser Zufallskomponente absieht und deshalb mit der - in
speziellen Bereichen allerdings nützlichen - idealisierenden Abstraktion
des "starren Körpers" in der Mechanik vergleichbar ist. |
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"Fortschritt" ... |
In der Begründung von Planung
spielt bis heute der Begriff oder die Vorstellung von Fortschritt
eine Rolle. "Planung für Fortschritt" - das ist das Motiv, das
viele Planer bewegt. Im folgenden soll untersucht werden, wie sich dieses
Motiv vor dem Hintergrund der bisherigen Überlegungen zur Evolution
dissipativer Systeme darstellt. Es ist sicher nicht ohne
weiteres möglich, alle denkbaren Begriffe von "Fortschritt" in
einem ökologischen Zusammenhang zu verwenden. Hier käme es darauf an, ökologische
Deutungen des Begriffs zu definieren, die möglichst viel von dem ausdrücken
sollten, was im allgemeinen Sprachgebrauch darunter verstanden wird. Der Begriff
"Fortschritt" hat einen Zeitbezug und einen Wertbezug.
Wenn er sich auf ein System bezieht, kann er ganz allgemein einer Zustandsfolge
dieses Systems zugeordnet werden; der Zustand eines Systems nach einem
Fortschritt wird als wertvoller betrachtet als der Zustand vor dem Fortschritt
- oder die Richtung eines Fortschritts wertvoller als die umgekehrte
Richtung. Man sagt: "Ich mache Fortschritte bei der Arbeit". Oder:
"Nach dem Krieg ergaben sich Fortschritte beim Wiederaufbau".
Oder "Gegenüber der Nazizeit bedeutet unsere Demokratie einen Fortschritt".
|
... wird verschieden verstanden. |
Man kann nun "Fortschritt"
definieren im Bezug auf einzelne dissipative Systeme oder im Bezug auf eine
Gesamtheit von dissipativen Systemen in einem Ökosystem oder einer
Ökosphäre. Als Maß für Fortschritt im letzteren Sinn könnte zum Beispiel
die Gesamtmasse der dissipativen Systeme in einer Ökosphäre gewählt werden
(">Biomasse" oder ">Ökomasse")
oder auch der Gesamtenergieumsatz oder die Gesamtzahl unterscheidbarer Elemente
(">Kompliziertheit") oder
unterscheidbarer Beziehungen (">Komplexität"),
jeweils auf ein einheitliches Raster bezogen. Die Tendenz "mehr,
reicher, vielfältiger" wäre dann Fortschritt. Man könnte auch gewisse
Verrechnungswerte bilden, zum Beispiel Komplexität pro Gesamtmasse oder pro
Energieumsatz (">ökologischer >Wirkungsgrad") und "Fortschritt"
hierauf beziehen. Fortschritt wäre dann die Tendenz "sparsamer,
raffinierter, effektiver". Wenn die Maximierung solcher
Größen ohnehin eine wahrscheinliche Tendenz im Laufe der Evolution als einer
Diffusion im Möglichkeitenraum ist, dann wäre Fortschritt in diesem Sinn
das wahrscheinliche und nicht wesentlich aufzuhaltende Ergebnis von Evolutionsschritten
bzw. ihre Richtung. Der Wertbezug bestünde darin, diese Fortschrittstendenz
der Evolution als allgemein wertvoll zu betrachten und sich selbst als
mitwirkendes System im Evolutionsstrom zu erleben (vgl. hierzu auch Hass/Lange-Prollius
1978). Allerdings wäre damit nicht ohne weiteres ein Bezug zum eigenen
Verhalten gegeben, denn die Gesamttendenz einer Evolution in einer Ökosphäre
ist ja weitgehend unabhängig vom Verhalten eines einzelnen Teilsystems,
sonst könnte man keine allgemeine Gesetzmäßigkeit dafür aufstellen. Eichbaum
wie Schleimpilz, Lamm wie Löwe wie Laus, König wie Bettler, Verbrecher wie
Heiliger, Faustkeil wie Violine wie Galgen würden gleicherweise zu dieser
Gesamttendenz beitragen. Es gäbe gar keine Alternativen, nicht dazu
beizutragen. Sogar Selbstmord würde bedeuten, daß Platz gemacht wird für
ein anderes dissipatives System, das schon darauf wartet, sich in den dadurch
freiwerdenden Energiestrom hinein auszubreiten. |
Im ökologischen Zusam- menhang ist der Bezug zum Überleben naheliegend. |
Man kann aber im Gegensatz
dazu "Fortschritt" auch auf ein einzelnes dissipatives System
beziehen. Dann wird man mehr "subjektive" Maße für Fortschritt
ins Auge fassen: "Lebensqualität", "Gesundheit",
"Zufriedenheit", "Glück", "Frieden",
Ausgeglichenheit", "Harmonie". Im hier behandelten Zusammenhang
soll in der ersten Annäherung das als Fortschritt bezeichnet werden, was die
Überlebenschancen in der Zukunft vergrößert oder umgekehrt
die Untergangsrisiken verringert. Dies ist die ökologisch massivste
Bedingung für Fortschritt. Fortschrittsbegriffe, die das Gegenteil
bewirken, wären hier fragwürdig. Allerdings sind Aussagen, die sich auf
einen so gefaßten Fortschritt beziehen, nicht ohne weiteres auf anderes, etwa
mit subjektiven Maßen gefaßte Begriffe von Fortschritt übertragbar - es sei
denn, die subjektiven Begriffe von Fortschritt ließen sich als Maßstäbe für
einen ökologisch gefaßten Fortschritt deuten. |
Vielleicht haben auch andere Fortschrittsbegriffe
damit Zusammenhang. |
Daß das tatsächlich oft
möglich sein dürfte, dafür spricht folgende Überlegung: Subjektive
Empfindungen müßten als mehr oder weniger einfache oder auch komplexe Modelle
von Systemzuständen gedeutet werden können. Damit wären die oben
skizzierten Überlegungen über die Evolution von Modellen und Modellbenutzung
darauf anwendbar, insbesondere das Ökonomieprinzip: Luxuriöse Modelle dürften
unter Konkurrenzdruck stehen; deshalb dürften sich diese psychischen
Modelle nicht allzuweit von der Funktion entfernen können, reale Zusammenhänge
abzubilden. Und wenn die Realität die Chance von Überleben und Vermehrung,
gleichzeitig das Risiko von Vernichtung und Tod enthält, müßten solche
Chancen und Risiken sich in den meisten subjektiven Empfindungen, auch im Zusammenhang
mit Fortschritt, abbilden. |
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Fortschritt als dauerhaf- te Entfernung vom Existenzrand ... ... für ein einzelnes dissipatives System ... |
Im oben skizzierten Möglichkeitenraum
soll nun der Rand des Teilraums, innerhalb dessen der Systempunkt eines
bestimmten dissipativen Systems existieren kann, jenseits dessen aber nicht,
als der "Existenzrand" dieses Systems bezeichnet werden.
Der Existenzrand im Möglichkeitenraum ist also nicht ein Rand für die
Bewegung eines dissipatives System im dreidimensionalen Erfahrungsraum,
sondern die Bewegungsgrenze für den Punkt, der im Möglichkeitenraum ein
existenzfähiges System repräsentiert. Wenn sich dieser Punkt über den
Existenzrand bewegt, oder auch, wenn sich der Existenzrand über den Punkt
hinwegbewegt, geht das repräsentierte dissipative System unter,
"stirbt ab", oder löst sich in Teilsysteme auf, deren Summe nicht
das vorherige dissipative System ergibt. Wenn man ein einzelnes dissipatives
System fragen wollte, dann könnte es "Fortschritt" gemäß ökologischer
Fassung des Begriffs darin sehen, daß sich sein Systempunkt vom Existenzrand
entfernen oder sich auch entfernt von diesem Rand im Möglichkeitenraum
stabilisieren kann. Die Entfernung eines Systempunktes vom Existenzrand in
einem konstruierten Möglichkeitenraum könnte als ein Maß für Fortschritt -
bezogen auf ein dissipatives System - gelten. |
... und eine Mehrzahl solcher Systeme |
Die Lage des Existenzrandes
für ein dissipatives System wird unter anderem auch von der Gesamtheit der
anderen Systeme abhängen, deren Punkte den jeweiligen Möglichkeitenraum
bevölkern. Ein System kann zum Beispiel in einer bestimmten Symbiose mit
einem anderen System existieren, ohne diese Symbiose aber untergehen.
Fortschritt für ein Gesamtsystem (Ökosystem oder Ökosphäre) aus
verschiedenen dissipativen Systemen bedeutet in diesem Sinn, daß sich die
Punktwolke des Gesamtsystems allseitig vom Existenzrand zurückzieht
- daß also das Zurückziehen der Punkte der einen Teilsysteme nicht die der
anderen näher an oder über diesen Rand drängt. Wenn ein Teilsystem
Fortschritt nur erleben kann aufkosten eines anderen Teilsystems, dann wäre
das für das Gesamtsystem kein Fortschritt im hier definierten Sinn. |
Aber: Abstand gewinnen vom Existenzrand ... |
Nehmen wir an, die Bewegung
eines Systempunkts im Möglichkeitenraum führt zufällig zu einer Stelle, die
einen größeren Abstand vom Existenzrand bedeutet. Fortschritt für das
System erfordert, daß dieser Abstand dann zumindest für eine gewisse Dauer
erhalten bleibt, daß also die Bewegung des Systempunkts nicht sofort von
einer Bewegung in der Umwelt dieses Systems, insbesondere seiner
Konkurrenten begleitet oder gefolgt wird, die den Existenzrand wieder auf
den Systempunkt zuschieben. Wenn solcher Fortschritt nur zufällig möglich ist,
dann ist die Entfernung des Systempunkts vom Existenzrand nur
"Glück", vergleichbar mit den zufälligen Schwankungen von Teilchen
in der ">Brownschen Bewegung",
und kann jederzeit durch eine kleine Mutation in der Umwelt wieder
zunichtegemacht werden (vgl. hierzu auch z.B. Eigen/Winkler 1975, S. 177).
Wenn aber diese kleine Bewegung weg vom Existenzrand nicht nur Zufall ist,
dann muß sie gegen mögliche ungünstige Mutationen in der Umwelt, aber auch
im System selber aufrechterhalten werden. |
... ist nicht ohne Kosten möglich, es sei denn ... |
Diese Mutationen müssen
erkannt und ausgeschaltet oder kompensiert werden. Ein Mechanismus, der
dieses leistet, muß ein gewisses Maß an Energie umsetzen. Wenn das mehr
Energie ist als unbedingt nötig, ist er selber der Gefahr ausgesetzt, durch
einen energiesparsameren Konkurrenten verdrängt zu werden. Wenn ein
dissipatives System aber auf einen solchen Mechanismus überhaupt verzichtet,
dann kann es diese Energieeinsparung anderweitig verwenden, etwa um seine
Konkurrenten zu bekämpfen. Ein relativ risikofreudiges und gleichzeitig aggressives
dissipatives System, das den Abstand seines Systempunktes vom Existenzrand
gering hält, hat dann Überlebensvorteile gegenüber einem sonst gleichen System,
das mit dem gleichen Aufwand für seine "Lebensqualität", das heißt
hier für einen größeren Abstand seines Systempunktes vom Existenzrand sorgt.
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... man bekommt von außen etwas geschenkt. |
Das gilt allerdings nicht,
wenn der störungserkennende und -ausschaltende Mechanismus von außerhalb
der betreffenden Ökosphäre eingebracht wird, ohne ihre Energiebilanz zu
belasten und damit ohne konkurrenzbedeutsam zu werden - sozusagen durch
einen "außerirdischen Erlöser". |
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Fortschritt als dauerhaftes Entfernen vom Existenzrand ... |
Vor dem Hintergrund solcher
Überlegungen kann sich also der Systempunkt eines dissipativen Systems, das
einer Evolution in einer Ökosphäre unterliegt, nicht viel mehr als durch
zufälliges Driften, vergleichbar der Brownschen Bewegung, vom Rand der
Existenz entfernen, die Punktwolke eines Gesamtsystems aus einer Vielzahl
dissipativer Systeme der gleichen Ökosphäre nicht allseitig. Über kurz oder
lang ist es wahrscheinlich, daß durch ähnliches Driften bei einem Konkurrenten
oder >Symbionten eine entsprechend umgekehrt wirkende
Mutation auftritt. Damit kommt eine ökonomischere Variante ins
"Spiel", das heißt, in den Konkurrenzkampf ums Überleben; der
Umweltdruck für das betrachtete glückhafte dissipative System wird vergrößert;
sein Systempunkt wird dem Existenzrand wieder näher gebracht. "Fortschritt"
im Sinne einer dauerhaften Entfernung des Systempunktes vom Existenzrand
ist damit nicht absolut unmöglich, jedoch sehr unwahrscheinlich; Fortschrittsstreben
wird vergleichbar dem Bemühen um das ">Perpetuum mobile",
also eine Maschine, die ohne Energieverlust läuft, bzw. die zufällige
kleinste Störungen ohne Energieaufwand erkennen und ausschalten kann - in
der also ein sogenannter ">Maxwell´scher Dämon" wirkt.
Daß eine solche Maschine extrem unwahrscheinlich, praktisch unmöglich ist,
besagt der sogenannte zweite Hauptsatz der Thermodynamik, der Entropiesatz.
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... ist also so unmöglich wie das Erreichen des absoluten
Nullpunkts der Temperatur |
Man kann unser Modell der
Punkte im Möglichkeitenraum dazu verwenden, die thermodynamischen Konsequenzen
von dauerhaftem Fortschritt zu veranschaulichen. Fortschritt in diesem
Modell bedeutet, daß die - durch zufällige, nichtvorhersagbare Bewegung der
Systempunkte bedingte - Vermehrung und Diffusion der Punktwolke im
Möglichkeitenraum im Lauf der Evolution schon vor der Erreichung eines
Gleichgewichtszustandes, bei dem keines der beteiligten dissipativen Systeme
weiter als knapp vom Existenzrand entfernt ist, zu einem Ende kommt. Das
würde voraussetzen, daß die zufällige Komponente der Bewegung der Systempunkte
zumindest zu einem gewissen Teil, zu gewissen Zeiten oder in gewissen
Teilbereichen verschwindet, daß die Punkte also irgendwie auf Zufälligkeit
in ihrem Verhalten verzichten können, daß nicht nur das Gesamtverhalten der
abstrakten Gaswolke aus Systempunkten, sondern auch die Bewegung eines
einzelnen Systempunktes geordnet und voraussagbar ist - zumindest in
Bereichen endlicher Ausdehnung. Für unser abstraktes Gas im Möglichkeitenraum
wäre damit zumindest stellen- oder zeitweise ein Ordnungszustand angenommen,
der einem realen Gas bzw. Körper beim absoluten Nullpunkt der Temperatur
entspricht. Die Annahme eines Fortschritts im obigen Sinn, der nicht nur
zufällig und vorübergehend wäre, würde also dem Entropiesatz widersprechen
- hier in der Form des Satzes von der Unerreichbarkeit des absoluten
Nullpunktes der Temperatur, angewandt auf unser abstraktes Gas der Systempunkte
im Möglichkeitenraum. |
Eine Ökosphäre mit einer einzigen Energiequelle
als "abgeschlossenes System zweiter Ordnung |
Um eine formale Angleichung
an eine gängige Formulierung des Entropiesatzes für abgeschlossene Systeme
zu erreichen, kann man den Begriff des "abgeschlossenen Systems"
als >"Stufenbegriff"
fassen und als ein "abgeschlossenes System zweiter Ordnung" ein
System definieren, das sich aus einer einzigen Energiequelle speist, und
keine Einwirkung durch ein System erfährt, das sich nicht aus dem gleichen
Energiestrom speist. Eine Ökosphäre ist dann ein solches abgeschlossenes
System zweiter Ordnung. Der Entropiesatz besagt vor diesem Hintergrund, daß
ein solches System keinen Fortschritt im Sinne eines dauerhaften Zurückziehens
seines Systempunktes vom Existenzrand erleben kann, ähnlich wie ein abgeschlossenes
System erster Ordnung keine Senkung der Gesamtentropie - genauer, daß das
so unwahrscheinlich ist wie ein Perpetuum mobile. Erst wenn ein Raumschiff
mit einem "außerirdischen Erlöser" landete, der Ordnung ohne
Energiekosten schaffen, also die Rolle eines "Maxwellschen Dämons
zweiter Ordnung" spielen könnte, wäre das System nicht mehr auf der
zweiten Ordnung abgeschlossen. |
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Pessimistische Sicht auf "Fortschritt"
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Die bisherigen Überlegungen
widersprechen also den "Ideologien der Hoffnung", die Fortschritt
im obigen Sinn als allseitiges und dauerhaftes Zurückziehen der Systempunkte
vom Existenzrand für möglich halten. Die Überlegungen berühren sich eher mit
den Konzepten pessimistischer Philosophen - von Salomo bis Schopenhauer,
mit der Vorstellung von der "schlechtesten aller möglichen Welten",
eventuell auch mit der christlichen Vorstellung von der Erbsünde. |
... relativiert bisher gängige Motive, ... |
Das bisher weit verbreitete
Motiv für Planung - Wirken für den Fortschritt ("damit unsere Kinder es
einmal besser haben als wir") kann nach diesen Überlegungen als
Widerspruch zu Entropiesatz nicht mehr naiv aufrechterhalten werden. Jeder
Planer hat sich damit abzufinden, daß er in einem Konkurrenzfeld lebt, in
dem konkurrierende Systeme mit konkurrierenden Planern in die Richtung
wirken, seine Anstrengungen zunichte zu machen, so daß die Bilanz kaum mehr
als das bloße Überleben darstellen kann. Das gilt nicht nur für militärische,
sondern für jegliche Planung, im privaten und im öffentlichen Bereich. Die
Konkurrenten können unter Umständen weit weg sein, anonym und nicht
sichtbar, eventuell in einem anderen Erdteil, sind aber dennoch stets
vorhanden. |
... kann aber Ethik nicht aufheben. |
Vor diesem Hintergrund ist
Planung notwendig zum Überleben auf einer gewissen >Organisationshöhe,
und wäre demnach im jeweiligen Zusammenhang auch ethisch geboten, bringt
aber nicht viel mehr als dieses Überleben - ähnlich wie das Bemühen des
Arztes um Leben und Gesundheit des Patienten ethisch geboten ist, aber
zuletzt doch gegen Krankheit und Tod unterliegen muß. |
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Ardrey, R. The social contract. A personal inquiry
into the evolutionary sources of order and disorder. New York 1970 Atkins, P. W.: Wärme und Bewegung Heidelberg 1986 Eigen, M. Winkler, R.: Das Spiel. München, Zürich 1975 Hass, H.; Lange-Prollius, H.: Die
Schöpfung geht weiter. Stuttgart-Degerloch 1978 Krueger, F. R.: Physik und
Evolution. Berlin 1984 Morowitz, H. J.: Entropy for
biologists New York 1970 Riedl, R.: Die Ordnung des Lebendigen.
Hamburg, Berlin 1975 Vollmer, G.: Evolutionäre Erkenntnistheorie.
Stuttgart 1975 Wesley, J. P.: Ecophysics. Springfield (Illinois) 1974 Whittaker, R. H.: Communities and
ecosystems. London 1970 |
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Begriffe, wie sie hier verwendet
werden |
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abstrakt = nichtgegenständlich,
verallgemeinert Auslese = >Selektion. Vernichtung
von Möglichkeiten, insbesondere in der >Evolution. Gegenspieler der
>Mutation Biomasse = Masse aller lebenden
Individuen einer >Population oder eines ganzen
>Ökosystems Brownsche Bewegung = zufälliges Zittern, Taumeln
und Driften kleiner Teilchen in einer Flüssigkeit oder einem Gas, bedingt
durch Unregelmäßigkeiten der Wärmebewegung der diese Teilchen anstoßenden
Flüssigkeits- oder Gasmoleküle Diffusion = Ausbreitung von Elementen
(zum Beispiel von Molekülen eines Stoffes) in realen oder >abstrakten
Räumen, angetrieben durch ungeordnete (>thermodynamische) Bewegung.
Nach >Entropiesatz nie völlig zu vermeiden. dissipatives System = energieumsetzendes,
deshalb gemäß >Entropiesatz Energie zerstreuendes >dynamisches System.
Ein dynamisches System, das längerfristig in einem dynamischen
Gleichgewicht bleiben soll, muß mit seiner >Umwelt >Energie
austauschen. Drift = (hier) durch Überlagerung
zufälliger Einzelbewegungen zustandegekommene Bewegung in die gleiche
Richtung, etwa von Teilchen in einer Flüssigkeit oder einem Gas dynamisches Gleichgewicht = ein in gewissen Grenzen
(z.B. abgesehen von geringen Schwankungen) gleichbleibender Zustand eines
>dynamischen Systems. Beispiele: Ein rund laufender Motor, ein Wasserfall,
ein gleichmäßig fliegender Vogel. dynamisches System = >System mit Veränderungen
in der Zeit Energie = Fähigkeit eines dynamischen
Systems, Arbeit zu leisten. Einer der Grundbegriffe der Physik Energie-Erhaltungssatz = Satz von der Erhaltung der
Energie und damit der Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile 1. Art (einer
Maschine, die aus nichts Energie erzeugen kann). Gleichbedeutend mit der
Annahme der Gleichförmigkeit der Zeit. Auch "Erster Hauptsatz der
Thermodynamik" genannt. Entropie = wissenschaftliches Maß
für >Ordnung und Unordnung eines >Systems. Entropiesatz = "Zweiter Hauptsatz
der Thermodynamik", Satz von der Unumkehrbarkeit der Zeit - unter
gängigen Bedingungen; gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit, Ordnung
ohne Energieeinsatz zu schaffen, insbesondere der Unmöglichkeit,
ein "Perpetuum mobile" 2. Art zu bauen - eine Maschine, die
ohne Reibung läuft. Der Entropiesatz wird in verschiedenen Sprichwörtern
ausgedrückt, z.B.: "Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er
bricht". Evolution = Entwicklung, insbesondere
Entwicklung der >dissipativen (bzw. lebenden) >Systeme auf der Erde in
gegenseitiger Beeinflussung und unter Veränderung der inneren >Struktur Existenzrand = Grenze zu Zuständen der
>Umwelt, jenseits der ein >dissipatives bzw. lebendes >System
seine Existenz verliert, also abstirbt oder in Teilsysteme zerfällt, deren
Gesamtheit nicht mehr das ursprüngliche System ergibt. Fortschritt = Fortschreiten in der Zeit
zu einem als wertvoller eingeschätzten Zustand. Hier: Dauerhafte Entfernung
eines >dissipativen Systems vom >Existenzrand Gleichgewicht = Zustand eines Systems, das
sich - in gewissen Grenzen - in der Zeit nicht ändert. Ein statisches Gleichgewicht
kann ohne Energieumsatz erhalten werden, ein >dynamisches Gleichgewicht
nur mit Energieumsatz. Information = Ungewißheit von
Ereignissen, zum Beispiel von Zuständen eines >dynamischen Systems oder
von Störungen aus der >Umwelt, gleichzeitig (bis auf das Vorzeichen) aber
auch das Wissen, das die Ungewißheit aufhebt. Einheit der Information: eine
Ja/Nein-Entscheidung (Bit). Komplexität = Vielfalt unterschiedlicher
Beziehungen in einem >System Kompliziertheit = Vielfalt unterschiedlicher
Elemente in einem >System Konkurrenz = das Beanspruchen der gleichen
>Ressource durch zwei oder mehrere lebende Systeme. Maxwell´scher Dämon = fiktives Subjekt, das Information
umsetzen kann, ohne dabei Energie umzusetzen oder selbst Information zu
erzeugen. Wenn ein Maxwell´scher Dämon möglich wäre, wäre auch ein >Perpetuum
mobile möglich. Modell = Gegenstand, der mit einem
anderen Gegenstand - dem "Urbild" des Modells - Eigenschaften
oder Beziehungen gemeinsam hat Möglichkeitenraum = >abstrakter Raum, der
aus den Koordinaten aufgespannt wird, auf denen die Eigenschaften oder
Beziehungen eines >Systems abgebildet werden. Dient zur
Veranschaulichung bei der Beschreibung von Systemen und ihrem Verhalten. Mutation = Erschließen von
Möglichkeiten durch kleinste Veränderungen, insbesondere in der >Evolution Ökologie = Wissenschaft von den Wechselwirkungen,
insbesondere dem Stoff- und Energieaustausch lebender, allgemein
>dissipativer >Systeme mit ihrer >Umwelt, verallgemeinert Wissenschaft
von den >Ökosystemen ökologischer Wirkungsgrad = Verhältnis von gespeicherter
>Information zum Energieumsatz in einem >dissipativen System Ökomasse = >Biomasse plus
>Technomasse in einem >Ökosystem oder einer >Population von Lebewesen
oder >technischen >Systemen Ökonomie = Wirtschaftslehre; auch
Sparsamkeit, Haushalten Ökosphäre = der Raum, in dem sich
Lebewesen aufhalten - verallgemeinert Gesamtheit aller >dissipativen
Systeme mit ihrer stofflichen >Umwelt, die sich aus einem Energiestrom
speisen. Ökosystem = Wirkungsgefüge aus Lebewesen,
unbelebten natürlichen sowie ggf. auch technischen Bestandteilen, die
untereinander und mit ihrer >Umwelt in Wechselwirkung stehen, insbesondere
>Energie und Stoffe austauschen. Ordnung = Eigenschaft eines
>Systems, das ein Teilsystem enthält, das als >Modell für ein anderes
Teilsystem dienen kann, weil es >Information über dieses andere
Teilsystem enthält. Gleichbedeutend: Negative >Entropie, Redundanz.
Gegensatz: Unordnung, >Entropie. Organisationshöhe = >Komplexität = Vielfalt
unterschiedlicher Beziehungen in einem >System Parameter = veränderliche Größe Perpetuum mobile = (lat.: "ewig beweglich")
eine Maschine, die entweder Energie aus nichts schafft - Perpetuum
mobile 1. Art, oder ewig ohne Reibung läuft - Perpetuum mobile 2. Art.
Ersteres widerspricht dem >Energie-Erhaltungssatz, zweiteres dem
>Entropiesatz. Beide können demnach - in gängigen Bereichen der Physik
- grundsätzlich nicht existieren Plan = Sollmodell Population = Gesamtheit aller
Individuen einer Art in einem bestimmten Raum bzw. >Ökosystem Regelkreis = Grundschema einer
negativen >Rückkopplung. Das >Verhalten eines >dynamischen Systems
verändert die >Umwelt in der Weise, daß sie gegensinnig, also bremsend
auf das Verhalten zurückwirkt. Grundbedingung für >dynamisches Gleichgewicht.
Gegenteil: Wachstumskreis oder "Teufelskreis", durch eine positive
Rückkopplung verursacht. Reproduktion = Vermehrung (>lebender
bzw. >dissipativer Systeme) Ressourcen = Energie, Rohstoffe, Boden
und andere Grundlagen für die Existenz eines lebenden Systems, insbesondere
menschlicher Gesellschaften. Rückkopplung = Beeinflussung des >Verhaltens
eines >dynamischen Systems oder >Elements durch die Auswirkungen
dieses Verhaltens auf seine >Umwelt. Kann zur Verstärkung dieses Verhaltens
führen (positive Rückkopplung) oder zur Bremsung (negative Rückkopplung). Selbstverstärkung = durch eine positive
>Rückkopplung erzeugte Verstärkung eines Verhaltens eines >dynamischen
bzw. >dissipativen Systems oder >Elements durch die Auswirkungen
dieses Verhaltens in seiner >Umwelt. Selektion = Auslese, Vernichtung von
Möglichkeiten, insbesondere in der >Evolution. Gegensatz: >Mutation Struktur = Gesamtheit der Beziehungen
in einem >Systems Stufenbegriff = Begriff, der auf verschiedenen
Stufen der >Komplexität in ähnlicher Bedeutung angewandt werden kann Symbiont = Partner in einer
>Symbiose Symbiose = Zusammenwirken zwischen
zwei oder mehreren lebenden, allgemein >dissipativen >Systemen zu
gegenseitigem Vorteil - meist als gegenseitiger Austausch von Stoffen und
Energien darstellbar. System = Gesamtheit von Elementen,
die untereinander, bei offenen Systemen auch mit ihrer >Umwelt, in
Beziehung stehen. System, dissipatives = energieumsetzendes, deshalb
gemäß >Entropiesatz Energie zerstreuendes >System System, dynamisches = >System mit Veränderungen
in der Zeit Technomasse = Gesamtmasse aller funktionierenden
technisch-kulturellen Systeme einer bestimmten Art oder eines bestimmten
>Ökosystems Thermodynamik = Wärmelehre, heute z.T.
auch verallgemeinert auf alle Anwendungen des >Entropiesatzes. Umwelt = Im allgemeinen Sinn = Gesamtheit
aller Systeme, die mit einem bestimmten System in Beziehung stehen. Im
engeren Sinn = die Gesamtheit der natürlichen Systeme, die mit der menschlichen
Zivilisation in Beziehung stehen, also Gestein und Boden, Gewässer, Lufthülle,
Pflanzen- und Tierwelt. Wirkungsgrad = Verhältnis vom Erfolg zum
Aufwand Wirkungsgrad, ökologischer = Verhältnis von gespeicherter
>Information zu Energieumsatz in einem >lebenden bzw. >dissipativen
System. |
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