| 
      | 
 |
| 
      | 
  
      | 
 
| 
   Wie
  ökologisch sind Sprichwörter?  | 
 |
| 
      | 
  
   Öko-Text  | 
 
| 
      | 
  
   9  | 
 
| 
      | 
  
   Stand 1.9.2001
  (1990)  | 
 
| 
      | 
  
      | 
 
| 
      | 
  |
| 
      | 
  
      | 
 
 
 
| 
      | 
 |
| 
   Erster Hauptsatz der Thermodynamik -
  Energie-Erhaltungssatz  | 
  
      | 
 
| 
      | 
 |
| 
      | 
  
      | 
 
| 
      | 
 |
| 
      | 
  
      | 
 
| 
      | 
 |
| 
      | 
  
      | 
 
| 
      | 
 
 
 
 
| 
   Begriffe: Anklicken der im Haupttext
  mit ">" markierten Begriffe führt zur Erläuterung. Nochmaliges
  Anklicken des Begriffs bei der Erläuterung führt zurück zur Lesestelle.  | 
 
 
 
 
| 
       Ernstgenommene Ökologie als Wissenschaft von den Umweltbeziehungen
  und Wirkungsnetzen der Lebewesen ...          | 
  
   1.
  Hintergrund: Ökologie und Thermodynamik    Nehmen wir an, daß >Ökologie das leistet, was sie leisten will, nämlich
  Gesetzmäßigkeiten aufzuzeigen, denen die >Umweltbeziehungen
  und Wechselwirkungsnetze von Lebewesen gehorchen und aufgrund dieser Gesetzmäßigkeiten
  zu Voraussagen der Zukunft zu kommen, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit
  gelten. Nehmen wir nun weiter an, daß ein Wissen von solchen Gesetzmäßigkeiten
  für den Wissensträger die Zahl von Fehlschlägen und vergeblichen Versuchen
  in der Umwelt vermindert, und damit verbesserte Überlebens- und Fortpflanzungschancen
  für die Ökologie-Anwender bedeutet.    Nehmen wir darüberhinaus an,
  daß die Menschen nicht grundsätzlich aus dem Chor der Lebewesen
  herausfallen, und daß es Gesetzmäßigkeiten gibt, die relativ unabhängig
  von >Komplexität und >Evolutionsstand,
  also auch für menschliche Umweltbeziehungen gelten.     | 
 
| 
   ... müßte eigentlich in Konkurrenz geraten mit
  Sprichwort-Weisheit    | 
  
   Nehmen wir schließlich an,
  daß sich Sprichwörter nicht völlig zufällig bilden, sondern daß in ihnen wirklich
  Umwelterfahrungen ihren Ausdruck finden, und daß sie deshalb in der >Symbiose mit Menschen überleben, weil  sie ihren Anwendern Vorteile bieten.
  Dann könnte in Sprichwörtern - unter anderem - auch elementar formulierte
  Ökologie zu finden sein.   Die Kombination dieser
  Annahmen ist problematisch; sie soll unten näher diskutiert werden.     | 
 
| 
   Vielleicht enthalten Sprichwörter ökologisches Wissen
  ...    | 
  
   Ich möchte hier nicht im einzelnen untersuchen,
  wann und warum einzelne Sprichwörter in welcher Umwelt entstanden sind -
  sicher gibt es da Unterschiede, die schon in der Literatur dargestellt sind.
  Daß in afrikanischen Sprichwörtern Elefanten, Löwen, Giraffen vorkommen,
  in asiatischen Tiger, Bambus und Pinselschrift - in europäischen aber
  nicht, ist fast >trivial. Interessanter ist, daß Nomaden andere Sprichwörter
  haben als Ackerbauern und daß etwa Fleiß oder List in verschiedenen
  Umwelten und Wirtschaftsformen, auch in verschiedenen ökologischen Phasen
  (Wachstum oder >Gleichgewicht), verschiedenen Wert haben für die Erhaltung
  oder Verbesserung von Lebenschancen. Aber auch solche Unterschiede sollen
  hier nicht behandelt werden; hier geht es um die allgemeine Vermutung,
  daß Sprichwörter Gesetzmäßigkeiten ausdrücken können, die in anderer
  Sprache als ökologische, auf noch allgemeinerer Ebene vielleicht als physikalische
  Gesetzmäßigkeiten formuliert werden können.  | 
 
| 
    ... etwa
  die Hauptsätze der Thermodynamik?          | 
  
   Ich vermute, daß Sprichwörter
  - unter anderem - elementare Formulierungen der zwei sogenannten
  >Hauptsätze der >Thermodynamik enthalten. Diese Hauptsätze bedeuten -
  elementar beschrieben - folgendes:        | 
 
| 
   Erster
  Hauptsatz der Thermodynamik -  Energie-Erhaltungssatz  | 
 |
| 
      | 
  
      | 
 
| 
   Energie-Erhaltungssatz: "Von nichts kommt nichts".          | 
  
   Die Gesamtmenge an >Energie bleibt bei allen Vorgängen erhalten; Energie
  wandelt sich nur in andere Form um. Beispiel: Der Betrieb einer Maschine. Die
  hineingesteckte Energie bleibt erhalten; sie wird letztlich in Form von
  Wärme abgestrahlt. Der >Energie-Erhaltungssatz soll letztlich die Annahme bedeuten, daß die
  Zeit ">isotrop" ist, daß also kein Zeitpunkt vor dem
  anderen ausgezeichnet ist. Eine im technischen Bereich gängige Fassung
  des Energie-Erhaltungssatzes ist: "Es gibt keine Maschine, die
  Energie aus dem Nichts gewinnt (kein >Perpetuum
  mobile erster Art)".          | 
 
| 
      | 
  
      | 
 
| 
   Entropiesatz:  "Alles hat sein Ende".          | 
  
   Bei allen Vorgängen nimmt der
  >Ordnungs- und Spannungsgrad der beteiligten Energie ab,
  der Grad der Unordnung (die ´>Entropie´) zu. Der >Entropiesatz
  kann auch als Aussage darüber formuliert werden, daß alle zeitlichen
  Vorgänge in die Richtung größerer Wahrscheinlichkeit laufen. Er soll
  letztlich die Annahme bedeuten, daß die Zeit eine Richtung hat, und daß
  Zukunft und Vergangenheit in der Welt nicht austauschbar sind. Eine im
  technischen Bereich gängige Fassung des Entropiesatzes ist: "Es
  gibt keine Maschine, die ohne Antrieb ewig weiterläuft (kein Perpetuum mobile
  zweiter Art).    | 
 
| 
   Trotz ihrer Grenzen ...    | 
  
   Beide Hauptsätze der Thermodynamik
  haben wohl einen begrenzten Geltungsbereich. An den Grenzen des Beobachtbaren
  im subatomaren Bereich sowie an den Grenzen des Beobachtbaren in der Vergangenheit
  könnte sich ihre Geltung relativieren. Es gibt zum Beispiel das Konzept,
  daß Energie- und >Gravitationspotentiale sich
  bei geeigneter Wahl des Vorzeichens global zu Null aufheben und damit der
  Energie-Erhaltungssatz im größeren Zusammenhang zu einem
  Nichts-Erhaltungssatz wird. Außerdem könnte der Begriff der Wahrscheinlichkeit
  und damit auch der Begriff der Zeit in extremen Bereichen ´entarten´, so
  daß sich dort eventuell auch der Entropiesatz relativieren ließe.    | 
 
| 
   ... gelten die Hauptsätze der Thermodynamik in
  weiten Bereichen auch alltäglicher Erfahrung          | 
  
   Auf ökologischer Ebene und
  unter irdischen Bedingungen bedeutet die Geltung des Energie-Erhaltungssatzes
  etwa, daß - da die in der Zeiteinheit von der Sonne auf die Erde
  eingestrahlte Energie erfahrungsgemäß im wesentlichen konstant ist, da
  also der Energiestrom, der den Lebewesen auf der Erde zur Verfügung
  steht, begrenzt ist, und da die Lebewesen selbst keine Energie aus dem Nichts
  schaffen können - alle Lebewesen um die begrenzte Energie konkurrieren
  müssen, die zum großen Teil letztlich aus dem Lichtstrahl stammt, der von der
  Sonne auf die Erde fällt.    Die Geltung des Entropiesatzes
  bedeutet etwa, daß die Evolution weitergeht, daß also die Lebewesen in gegenseitiger
  Wechselwirkung immer weiter in den Raum der Möglichkeiten hinausdiffundieren,
  und daß sie, weil sie miteinander konkurrieren, sich im allgemeinen
  gegenseitig bis hart an den jeweiligen Existenzrand drücken.     | 
 
| 
   Sie müßten auch in Sprichwörtern stecken.  | 
  
   Vielleicht ergeben sich im
  folgenden Hinweise auf Verbindungen zwischen solchen allgemeinen Gedanken
  und der Botschaft von Sprichwörtern.         | 
 
| 
      | 
  
      | 
 
| 
   Sprichwörter bestreichen verschiedene Bereiche:    | 
  
   Es gibt Sprichwörter, die
  Erfahrungen in ganz speziellen Bereichen beschreiben, etwa im Bereich des
  Wetters, des Zusammenlebens von Menschen, des Wirtschaftens und der
  Psychologie.     | 
 
| 
   Wetter          | 
  
   Wetterregeln sind oft allgemein und
  bilden die auch meteorologisch begründeten Besonderheiten des Wetters im
  Jahreslauf ab: "Der April macht, was er will." Oft sind sie
  auch auf die spezielle klimatische Situation in einer Landschaft bezogen.
  Wieviel Vorhersagekraft in diesen Regeln steckt, könnten nur örtliche Untersuchungen
  klären. Daß es aber örtliche Regelmäßigkeiten im Wetter gibt, ist jedem
  geläufig, etwa der Gegensatz von Föhn und Stau an einem Gebirge, der
  Tagesgang der Talauf- und -abwinde, die Wolkenfahnen im Windschatten von
  Bergen und ähnliches. "Hat der Kaiser (der Wilde Kaiser) einen Hut
  (aus Wolken), wird das Wetter gut. Hat der Kaiser einen Sabel, wird das
  Wetter miserabel." ...    | 
 
| 
   Fleißig arbeiten und sparen ...    | 
  
   Einige Sprichwörter behandeln
  wirtschaftliche Dinge, halten etwa zum Sparen an, etwa "Wer den
  Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert" oder "Hast du
  was, bist du was". Eine ganze Reihe von Sprichwörtern betont die
  Unausweichlichkeit von Arbeit und den Wert von Fleiß. "Sich regen
  bringt Segen", "Wer rastet, der rostet", "Ohne
  Fleiß kein Preis", "Morgenstund hat Gold im Mund",
  "Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen",
  auch "Doppelt genäht, hält besser". Diese ´arbeitsamen´
  Sprichwörter könnten als elementare Fassungen der Hauptsätze der Thermodynamik
  aufgefaßt werden. Dynamische Ordnung ist nur unter Energie-, das heißt im
  menschlichen Lebensbereich Arbeitseinsatz zu halten und fortzuentwickeln.
  Ohne Arbeit bauen sich dynamische Ordnungen ab in die Richtung auf den
  wahrscheinlicheren Zustand, nämlich Nivellierung der Unterschiede, höhere
  Unordnung.     | 
 
| 
   ... allerdings auch  Zufall und Glück.        | 
  
   Allerdings gibt es auch
  Sprüche wie "Der dümmste Bauer hat oft die größten Kartoffeln",
  ein gewisser Gegensatz zu den "fleißigen" Sprichwörtern. Man könnte
  sich denken, daß Widersprüche zwischen verschiedenen Sprichwörtern
  daher rühren, daß sie den Erfolg verschiedenartiger, miteinander in Wechselwirkung
  stehender >Strategien beschreiben, der nur dann gegeben ist, wenn
  nicht alle gleichzeitig oder ein einzelner nicht in jeder Lebenslage nach
  der gleichen Strategie vorgehen. Das heißt, die Gegensätze zwischen
  verschiedenen Sprichwörtern könnten ein pluralistisches Strategienkonzept
  nahelegen. - Allerdings könnte ein solches pluralistisches Strategienkonzept
  nicht selbst als Strategie auf der gleichen Ebene wie die Vielzahl der betreffenden
  Strategien formuliert werden, da es selbst nicht der Pluralität unterworfen
  sein dürfte, ohne widersprüchlich zu werden.    Als charakteristisch
  erscheint, daß der Lohn von Arbeit in Sprichwörtern meist nicht
  "Glück" ist, sondern höchstens "Segen" oder
  "Gold". "Glück" ist Glückssache, nicht Sache von Fleiß
  und Anstrengung, umgekehrt Unglück nicht unbedingt die Folge persönlicher
  Schuld - das sagen die Glücks- und Unglückssprichwörter (s.u.) deutlich.      | 
 
| 
   "Unternehmenspsychologie" und
  "Marketing", ...    | 
  
   Einige Sprichwörter
  beschreiben wirtschaftliche Erfahrungen im Verbund mit psychologischen
  Erfahrungen, etwa "Wie gewonnen, so zerronnen": Ein
  Aufsteigen auf ein höheres Energieniveau nützt nichts, wenn kein Programm
  dafür vorliegt, dieses höhere Niveau auch zu halten; wirtschaftlicher
  Erfolg bedeutet ein dynamisches, kein statisches Gleichgewicht. Zunächst
  wirtschaftliche, darüber hinaus wohl auch psychologische bzw. allgemeine
  Selbstverstärkung, das ´Aufschaukeln´ wie sie in einem energieumsetzenden
  >System eher der Normalfall sind, beschreibt der Spruch "Der
  Teufel scheißt immer auf den großen Haufen" oder auch der Spruch "Wo
  Tauben sind, fliegen Tauben zu". Umgekehrt wird auch das (katastrophale)
  Abschaukeln beschrieben: "Ein Unglück kommt selten allein"
  oder "Wer dem Teufel den kleinen Finger gibt, dem nimmt er die ganze
  Hand".    | 
 
| 
   Psychologie  und Soziologie ...        | 
  
   Viele Sprichwörter beschreiben
  psychologische und soziale Erfahrungen: "Kindermund tut
  Wahrheit kund", "Eine Krähe hackt der anderen nicht das
  Auge aus", "Am Abend wird der Faule fleißig", "Trau,
  schau, wem", "Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und
  wenn er auch die Wahrheit spricht", "Wie man sich bettet, so
  liegt man", "Pack schlägt sich, Pack verträgt sich",
  "einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul", "Unter
  Blinden ist der Einäugige König", "Ein gutes Gewissen ist
  ein sanftes Ruhekissen", "Wes Brot ich eß, des Lied ich
  sing", "Viel Feind, viel Ehr", "Kleider machen
  Leute".    | 
 
| 
    ... überall
  könnten Ökologie und Thermodynamik drinstecken.    | 
  
   Manche dieser psychologischen
  und sozialen Gesetzmäßigkeiten könnten sich auf allgemeinere ökologische
  bzw. physikalische Gesetzmäßigkeiten zurückführen lassen, etwa indem man
  die Zusammenarbeit unter Menschen - ähnlich wie die unter Tieren - als Symbiose
  zur Verbesserung der grundsätzlich knappen Energiebilanz deutet ("Eine
  Krähe ...") und den Menschen in weiten Bereichen Motive der
  Energie-Ökonomie unterstellt ("Wes Brot ..."). Die
  ökologisch grundsätzliche Zerbrechlichkeit von Symbiosen als Zusammenarbeit
  in einem nur begrenzten Bereich vor dem Hintergrund globaler >Konkurrenz, also die grundsätzliche >Ambivalenz zwischen Menschen könnte sich in den
  Ambivalenzsprichwörtern ("Pack ...", "Trau ...")
  ausdrücken. Eine gewisse pessimistisch angehauchte Skepsis scheint sich in
  den psychologischen Sprichwörtern abzuzeichnen - also vielleicht eine Art
  Absage an die Idee des Perpetuum mobile auf der psychologischen Ebene?      | 
 
| 
   Zumindest ist "Arbeit" fast das gleiche
  wie "Energie", ...    | 
  
   Am ehesten lassen sich wohl die
  Sprichwörter unmittelbar ökologisch deuten, die Erfahrungen mit Glück
  und Unglück und mit der Arbeit beschreiben.     | 
 
| 
   ... und Zufall spielt im Alltag ebenso eine Rolle
  wie in der Thermodynamik.    | 
  
   Da gibt es einige Sprichwörter,
  die allgemein feststellen, daß viel >Zufall aus der Umwelt zu erwarten ist, und daß man sich
  nicht ohne weiteres darauf verlassen kann: "Glück und Glas, wie
  leicht bricht das!", "Man soll den Tag nicht vor dem Abend
  loben", "Es ist noch nicht aller Tage Abend", "Hochmut
  kommt vor dem Fall". Solche Sprichwörter drücken gleichzeitig aus,
  daß Menschen nicht von vorneherein gewappnet sind gegen alle zufälligen
  Störungen durch die Umwelt. Der Mensch erlebt sich als unvollständig stabilisiertes
  System.     | 
 
| 
   Im "Krug am Brunnen" steckt der Entropiesatz
  ...        | 
  
   "Der Krug geht so lange
  zum Brunnen bis er bricht" und "Lügen haben kurze Beine" beschreiben
  eine ähnliche Erfahrung. In einer Umwelt, die Zufall, enthält, die also
  nicht bis in alle Einzelheiten vorhergesehen werden kann, wird ein System,
  das sich nicht immer wieder neu in dieser Umwelt stabilisieren kann,
  schließlich längerfristig durch eine Umweltstörung zer-stört. Daß ein Krug
  nie bricht, daß es also auf allen seinen Wegen zum Brunnen immer wieder aufs
  Neue gut geht, daß sich die bei jedem Brunnengang beteiligten winzigen
  Einzelereignisse nie zu dem Gesamtereignis des Zubodenfallens oder
  Anstoßens des Kruges überlagern, ist zwar nicht unmöglich, auf Dauer aber
  extrem unwahrscheinlich. Gerade dieses Sprichwort könnte wohl als eine
  sehr elementare Fassung des Entropiesatzes gedeutet werden - das Sprichwort
  von den kurzen Beinen der Lügen als eine speziellere Fassung auf
  psychologischer Ebene.     | 
 
| 
   ... vielleicht auch in anderen, den Zufall betonenden
  Sprichwörtern.    | 
  
   Solche Sprichwörter könnten
  vor einer Unterschätzung der Komplexität der Umwelt warnen und dazu anregen,
  kleinere Schritte bei der Erkundung neuer Umweltmöglichkeiten zu
  machen. Andererseits gibt es auch Sprichwörter, die einen optimistischen
  Zug haben und wohl die Funktion, selbstaufschaukelnde Depression zu
  bremsen: "Auf Regen folgt Sonnenschein", "Wenn die
  Nacht am dunkelsten ist, ist der Tag am nächsten", "Und ist
  ein Unglück noch so groß, es trägt ein Glück in seinem Schoß".
  Einige Sprichwörter fordern zu einer gewissen allgemeinen Gelassenheit auf:
  "Kommt Zeit, kommt Rat". "Zeit heilt Wunden".
  "Man muß die Feste feiern, wie sie fallen". "Gut
  Ding will Weile haben".    Auch "Viel Licht,
  viel Schatten" scheint mir als eine Fassung des Entropiesatzes
  deutbar, insbesondere in der Allgemeinheit, mit der der Spruch angewandt
  wird: Wo in einem System Ordnung erhöht wird ("Licht"), da geht
  das aufkosten eines anderen (Teil)Systems, wo eben dadurch die Unordnung
  erhöht wird ("Schatten").    Insgesamt, so scheint mir,
  läßt sich eine ganze Reihe von Sprichwörtern dem Entropiesatz in seiner
  Deutung für dynamische Systeme zuordnen. Am deutlichsten scheint mir das -
  neben dem Sprichwort mit dem Krug am Brunnen - bei einem Sprichwort der Fall
  zu sein, das eine weitgespannte Wahrscheinlichkeitsaussage macht, das
  heißt, eine Allaussage, die zu ihrer Bestätigung nicht der Überprüfung
  aller Einzelfälle bedarf, ebensowenig wie die grundsätzliche Ablehnung
  von Patententwürfen für das Perpetuum mobile: "Die Bäume wachsen
  nicht in den Himmel".         | 
 
| 
      | 
  
      | 
 
| 
   Skepsis gegenüber Sprichwort-Weisheit hat gute
  Gründe:   Wissen, das mein Konkurrent mit mir teilt, bringt
  mich im Konkurrenzfeld nicht weiter.         | 
  
   Nun kann man fragen: Welchen Nährwert
  haben denn Sprichwörter überhaupt? Wie weise sind Sprichwörter? Dazu könnte
  man etwa folgendermaßen argumentieren: Sprichwörter könnten nur dann mitteilungswürdiges
  Wissen enthalten, wenn sie nicht umfassend sind, wenn also die
  Ökologie im Sprichwort nicht auch die Menschen in ihren Entscheidungen im
  Konkurrenzfeld mit umfaßt. Nur dann könnte ein solches Wissen dem Anwender
  Überlebens- und Fortpflanzungsvorteile gegenüber seinen Konkurrenten
  bieten. Wenn das Wissen aber letztlich nichts anderes ausdrückt als Begrenztheit
  und Vergeblichkeit menschlichen Tuns im Konkurrenzfeld, den >Sisyphos-Charakter menschlicher Arbeit, dann brächte dieses
  Wissen keinen Vorteil gegenüber dem Konkurrenten, wäre also eher Wissensballast
  und damit eine Gefahr für Überleben und Fortpflanzung. Man könnte verallgemeinern:
  Für Systeme, die selbst in einem Konkurrenzfeld überleben müssen, ist ein
  Wissen über übergeordnete Zusammenhänge und die damit verbundene Hoffnungslosigkeit
  nur bis zu einem gewissen Grad verträglich; darüber hinausgehendes Wissen
  kann sogar ihre Existenz gefährden.    Allerdings könnte es einen
  Überlebensvorteil im Konkurrenzfeld bedeuten, sich einem nur wenig umfassenderen
  Wissen auszusetzen als der Konkurrent, also nicht nur ein bißchen cleverer
  über Konkretes Bescheid zu wissen, sondern auch ein bißchen weiser zu sein.
  Aus welchem Grund hätte sich denn sonst die Bemühung um umfassenderes
  Wissen herauszüchten können?     | 
 
| 
   Vielleicht enthalten sogar die Hauptsätze der
  Thermodynamik kein wirkliches Wissen?    | 
  
   Man könnte auch anders
  argumentieren: "Ein Wissen, das den Anwender in seinen Entscheidungen
  mit einbezieht, wird unanwendbar. Die Zukunft muß offen bleiben; ohne
  wirkliche Entscheidungen kann man sich die Sprichwörterei auch sparen. Ökologie,
  umfassend auf Menschen angewendet, bringt keine >Information, so wenig, wie der Entropiesatz. Daß ein
  Perpetuum mobile nicht möglich ist, ist ein Wissen, das fast verstauben
  darf; es läßt sich kaum anwenden; vielleicht ist es gar kein ´Wissen´. Es
  gibt sogar die Auffassung, daß der Entropiesatz kein Naturgesetz ist (was ja
  für seine Grundsätzlichkeit spricht). Interessant sind nur die Bemühungen,
  sich einem solchen Perpetuum mobile so weit wie möglich anzunähern. Nur der
  Widerspruch zu umfassenden Gesetzmäßigkeiten motiviert und bringt >Strukturen zur Entfaltung. Daß wir alle sterben müssen,
  ist trivial. Daß es vielleicht möglich ist, die Vergangenheit als >Software wieder auferstehen zu lassen, die christliche
  Verheißung der Unsterblichkeit als technische Aufgabe zu deuten, das ist
  viel interessanter." Für die Sprichwörter könnten sich daraus
  verschiedene Vermutungen ergeben:     | 
 
| 
   Vielleicht wirken Sprichwörter auf Teilgebieten
  anders ...        | 
  
   Entweder enthalten
  Sprichwörter keine umfassende Ökologie, sondern nur Ökologie auf
  Teilgebieten, und lassen sich deshalb als praktisches Wissen innerhalb einer
  gesellschaftlichen Gruppe austauschen und zur Verbesserung der Überlebenschancen
  gegenüber der äußeren Konkurrenz verwenden: Sprichwörter als gruppenbezogener
  Austausch von begrenztem Wissen. Typische Beispiele hierfür könnten etwa
  die lokalen oder regionalen Wetterregeln sein, oder auch die Sprichwörter
  über den Charakter von Völkern, mit denen man zu tun hat ("Ein yyy
  betrügt zehn xxx, ein zzz betrügt zehn yyy ...").    | 
 
| 
   ... als umfassende Sprichwörter.    | 
  
   Oder Sprichwörter enthalten
  tatsächlich umfassende Ökologie, also letztlich elementare Darstellungen
  der Hauptsätze der Thermodynamik. Dann aber hätten sie nicht den Charakter
  anwendbaren Wissens; die Funktion wäre eher so wie die religiöser Aussagen -
  eine psychotherapeutische Funktion, etwa zu mehr Gelassenheit anzuregen,
  etwas Abstand zu gewinnen, etwas Sorge und Angst von sich zu tun. Ein
  Sprichwort einzuflechten könnte eine ähnliche Funktion haben wie etwa ein
  Streicheln über den Unterarm; die >Semantik der Sprichwörter wäre sekundär; die >Pragmatik primär. Typische Beispiele hierfür wären
  Sprichwörter, die fast keine Information enthalten, die vom reinen Inhalt
  her trivial sind, etwa "Auf Regen folgt Sonnenschein".     | 
 
| 
   Vielleicht sind pragmatische Funktionen der Sprichwörter
  oft wichtiger als ihr Inhalt.        | 
  
   Beide Formen könnten
  nebeneinander vorkommen. Es könnte sein, daß sogar eine komplexe Gemengelage
  von "Weisheit" und Beschränktheit, von inhaltsreich und trivial,
  auch eine Rollen- und Aufgabenteilung zwischen verschiedenen Angehörigen
  der gleichen sozialen Gruppe beim Umgang mit Sprichwörtern das ist, was
  sich im Gleichgewichtszustand einstellt, nicht etwa eine Gleichschaltung
  der Bemühung um Wissen oder Weisheit. Von ferne gesehen könnte dann
  Sprichwortweisheit als widersprüchliches, nahezu gehaltloses Aussagengewimmel
  erscheinen, aus der Nähe betrachtet als nahezu ">fraktal" fein verästelte Volksweisheit. Beide Auffassungen
  könnten sich gegenseitig kaum widerlegen.         | 
 
| 
      | 
  
  
     Rauch, K. (Hrsg.): Sprichwörter
  der Völker.  Düsseldorf 1963   Hass, H.; Lange-Prollius, H.:
  Die Schöpfung geht weiter.  Stuttgart 1978   Krueger, F. R.: Physik und Evolution.
   Berlin 1984    | 
 
| 
      | 
  
      | 
 
| 
      | 
  
      | 
 
| 
      | 
  
      | 
 
| 
      | 
  
      | 
 
| 
   Begriffe, wie sie hier
  verwendet werden  | 
 |
| 
      | 
  
      | 
 
| 
      | 
  
      | 
 
| 
      | 
  
   Ambivalenz = Doppelgesichtigkeit, Doppelwertigkeit   Energie = Fähigkeit eines dynamischen
  Systems, Arbeit zu leisten. Einer der Grundbegriffe der Physik   Energie-Erhaltungssatz = Satz von der Erhaltung der
  Energie und damit der Unmöglichkeit eines Perpetuum mobile 1. Art (einer
  Maschine, die aus nichts Energie erzeugen kann). Gleichbedeutend mit der
  Annahme der Gleichförmigkeit der Zeit. Auch "Erster Hauptsatz der
  Thermodynamik" genannt.   Entropie = wissenschaftliches Maß
  für >Ordnung und Unordnung eines >Systems, oft auch gleichbedeutend
  mit "Unordnung" verwendet.   Entropiesatz = "Zweiter Hauptsatz
  der Thermodynamik", Satz von der Unumkehrbarkeit der Zeit - unter
  gängigen Bedingungen; gleichbedeutend mit der Unmöglichkeit, Ordnung
  ohne Energieeinsatz zu schaffen, insbesondere der Unmöglichkeit,
  ein "Perpetuum mobile" 2. Art zu bauen - eine Maschine, die
  ohne Reibung läuft. Der Entropiesatz wird in verschiedenen Sprichwörtern
  ausgedrückt, z.B.: "Der Krug geht so lange zum Brunnen, bis er
  bricht".   Evolution = Entwicklung, insbesondere
  Entwicklung der lebenden >Systeme auf der Erde in gegenseitiger
  Beeinflussung und unter Veränderung der inneren >Struktur   fraktal = in immer gleicher oder
  ähnlicher Weise bis ins Unendliche fein verästelt   Gleichgewicht = Zustand eines Systems, das
  sich - in gewissen Grenzen - in der Zeit nicht ändert. Ein statisches Gleichgewicht
  kann ohne Energieumsatz erhalten werden, ein >dynamisches Gleichgewicht
  nur mit Energieumsatz.   Gravitation = Schwerkraft, Anziehung zwischen
  Massen   Hauptsätze der Thermodynamik = >Energie-Erhaltungssatz
  und >Entropiesatz.    Information = Ungewißheit von
  Ereignissen, zum Beispiel von Zuständen eines >dynamischen Systems oder
  von Störungen aus der >Umwelt, gleichzeitig (bis auf das Vorzeichen) aber
  auch das Wissen, das die Ungewißheit aufhebt. Einheit der Information: eine
  Ja/Nein-Entscheidung (Bit).    isotrop = gleichförmig in jeder
  Richtung   Komplexität = Vielfalt unterschiedlicher
  Beziehungen in einem >System   Konkurrenz = das Beanspruchen der gleichen
  >Ressource durch zwei oder mehrere lebende Systeme.    Ökologie = Wissenschaft von den Wechselwirkungen,
  insbesondere dem Stoff- und Energieaustausch lebender >Systeme mit ihrer
  >Umwelt, verallgemeinert Wissenschaft von den >Ökosystemen   Ökosystem = Wirkungsgefüge aus Lebewesen,
  unbelebten natürlichen sowie ggf. auch technischen Bestandteilen, die
  untereinander und mit ihrer >Umwelt in Wechselwirkung stehen, insbesondere
  >Energie und Stoffe austauschen.    Ordnung = Eigenschaft eines >Systems,
  das ein Teilsystem enthält, das als >Modell für ein anderes Teilsystem
  dienen kann, weil es >Information über dieses andere Teilsystem enthält.
  Gleichbedeutend: Negative >Entropie, Redundanz. Gegensatz: Unordnung,
  >Entropie.   Perpetuum mobile = (lat.: "ewig beweglich")
  eine Maschine, die entweder Energie aus nichts schafft - Perpetuum
  mobile 1. Art, oder ewig ohne Reibung läuft - Perpetuum mobile 2. Art.
  Ersteres widerspricht dem >Energie-Erhaltungssatz, zweiteres dem
  >Entropiesatz, also den >Hauptsätzen der Thermodynamik. Beide
  können demnach - in gängigen Bereichen der Physik - grundsätzlich nicht existieren   Pragmatik = (in der
  Sprachwissenschaft) Lehre von der Beziehung sprachlicher Gebilde zum Tun und
  den Absichten des Sprechenden - verkürzt auch diese Beziehung selbst.   Ressourcen = Energie, Rohstoffe, Boden
  und andere Grundlagen für die Existenz eines lebenden Systems, insbesondere
  menschlicher Gesellschaften.    Selektion = Auslese, Vernichtung von
  Möglichkeiten, insbesondere in der >Evolution. Gegensatz: >Mutation   Semantik = Lehre von der Beziehung
  sprachlicher Gebilde zum damit Bezeichneten, verkürzt auch diese Beziehung
  selbst   Sisyphos = Gestalt der griechischen
  Sage; muß zur Strafe für einen Frevel einen Felsblock immer wieder zum
  Gipfel eines Berges rollen, von dem er kurz vor Erreichen des Ziels wieder
  hinabrollt. Symbol für die Vergeblichkeit menschlichen Tuns.    Software = Daten und Programme, im Gegensatz
  zu "Hardware", den Geräten, mit denen die Daten und Programme verarbeitet
  werden.    Strategie = ursprünglich Kriegskunst.
  Verallgemeinert: allgemeine Linie eines lebenden Systems für die
  Auseinandersetzung mit seiner >Umwelt.   Struktur = Gesamtheit der Beziehungen
  in einem >System   Symbiose = Zusammenwirken zwischen
  zwei oder mehreren lebenden >Systemen zu gegenseitigem Vorteil - meist
  als gegenseitiger Austausch von Stoffen und Energien darstellbar.    System = Gesamtheit von Elementen,
  die untereinander, bei offenen Systemen auch mit ihrer >Umwelt, in
  Beziehung stehen.    Thermodynamik = Wärmelehre, heute z.T.
  auch verallgemeinert auf alle Anwendungen des >Entropiesatzes.   trivial = selbstverständlich, ohne
  Erkenntniswert   Umwelt = Im allgemeinen Sinn = Gesamtheit
  aller Systeme, die mit einem bestimmten System in Beziehung stehen. Im
  engeren Sinn = die Gesamtheit der natürlichen Systeme, die mit der menschlichen
  Zivilisation in Beziehung stehen, also Gestein und Boden, Gewässer, Lufthülle,
  Pflanzen- und Tierwelt.    Zufall = Unvorhersagbarkeit von
  Ereignissen. Gegensatz: >Ordnung    | 
 
| 
      |